»Liebe ist der Zustand, wo der Mensch die Dinge am meisten so sieht, wie sie nicht sind.« Friedrich Nietzsche
Einen Mitbewohner haben, den man nicht mehr will, ist schlimmer, als einen Liebhaber, den man nicht mehr will.
Man kann nicht schreien, zetern, einfach gehen oder die Waffen einer Frau einsetzen und weinen. Man muss sich zivilisiert verhalten und nichts ist schlimmer, als die Zivilisation, vor allem, wenn sie einem selbst nicht in den Kram passt.
Man muss hinnehmen und freundlich sein, denn wenn man es nicht ist, wird sich das furchbar rächen, dem anderen ist alles zuzutrauen, er hat dich nie geliebt, so ein Mitbewohner ist eben etwas anderes. Man sollte sich die Frage stellen, ob erleiden der richtige Weg ist, aber zum Sonntag gibt es kein Wochenblatt und eine neue Wohnung zu finden ist nicht einfach, auszuziehen noch schwieriger und den Willen zu all dem aufzubringen erst recht.
Vielleicht gehe ich einfach was trinken.
Musste heute wieder einmal feststellen
dass ich in vielerlei Hinsicht
Mangelware bin.
Bleibt zu hoffen:
Unikate-Liebhaber
statt
Schnäppchenjäger.
Oh Gott - kann man von Kaffee eine Überdosis bekommen?
Ich fühle meine Zähne nicht mehr.
Nein, ich bin nicht die Prinzessin.
Die Katze ist die Prinzessin.
Na, danke auch.
Schweigen
ist auch eine
Art
über etwas
Erlebtes
zu sprechen.
Ich hatte heute Nacht einen Traum, der so real und fassbar wr, dass ich mich beinahe an jede Einzelheit erinnern konnte, als ich schließlich aufwachte.
In der U-Bahn war es immer noch da und jetzt gibt es eine Idee für einen ganzen Roman.
'Krass' würde meine Praktikantin jetzt sagen.
"Der reinste Schrott, komm lass uns wieder gehen. Und so was erlauben die mitten in der Fußgängerzone."
Kaja Sperber hatte es aufgegeben, sich über ihre Kundschaft zu ärgern. Sie warf der Dame, die immer noch lautstark schimpfte und ihren Mann nun am Ärmel aus dem Geschäft zog, sogar ein extrafreundliches Lächeln zu. Vor den zwei Jahren, als sie den antiquarischen Buchladen ihres Vater geerbt und übernommen hatte, war das eine der ersten und schmerzlichsten Lektionen gewesen, die sie lernen musste. Obwohl sie ganz offensichtlich keine normale Buchhandlung führte, erwarteten die Besucher trotzdem, den neuen Dan Brown oder eine Harry Potter Gesamtausgabe im Regal zu finden. Die bis unter die Decke mit ihren Schätzen zugestellten Regale interessierten die wenigsten Kunden. Dass es sich sogar um gebrauchte Bände handelte, fanden die meisten, die sich in ihren kleinen Laden in der Innenstadt verirrten, geradezu unerhört.
Kaja wand sich wieder der Bananenkiste voller Bücher zu, die ihr den Postbote heute morgen auf den Ladentisch gehievt hatte. Auch er hatte die junge Buchhändlerin am Anfang wohl gehasst. Um es der vielen Laufkundschaft recht zu machen, erwarb Kaja Bücher gleich kistenweise bei ebay und stellte sie für einen Euro oder 'zu verschenken' auf die Auslagen vor ihrem Laden. Die meisten Kunden schienen zwar das Euroschild zu übersehen, aber ab und zu verirrte sich doch jemand herein, um zu bezahlen. Und den Postboten hatte Kaja auf ihrer Seite, seit sie jeden Morgen eine dampfende Tasse Kaffee mit viel Milch für ihn bereit hielt.
Kaja seufzte vernehmlich, weil auch diese Kiste wohl ausnahmlos auf dem Umsonst-Krabbeltisch laden würde.
"Wieder kein Glück gehabt, Schwesterherz?"
Kaja fuhr herum. "Du sollst dich nicht immer so anschleichen!" Es war ihr ein Rätsel, wie ihre kleine Schwester in den Laden kam, ohne, dass die Glöckchen über Tür losbimmelten. Anka schob sich eine pinkfarbene Strähne aus dem Gesicht, schob die Unterlippe vor und grinste sie schräg an. Ein Ritual, dass die beiden mindestens einmal am Tag durchspielten. "Wie war die Schule?" Auch die diese Frage war dieselbe wie jeden Tag, genau wie das gleichgültige Schulterzucken, das als Antwort folgte. Kaja war froh, dass die 15jährige überhaupt noch zur Schule ging. Seit sie sich vor zwei Jahren einer Gruppe Punkkids angschlossen hatte, die den ganzen Tag im Park rumgeammelten, grenzte das schon fast an ein Wunder.
"Willst du was essen?"
"Nein, ich helfe dir mit den Büchern. Vielleicht finden wir doch noch einen Schatz. Eines Tages ist einer dabei, du wirst sehen." Kaja strahlte ihre kleine Schwester an und zusammen beugten sie sich wieder über die Bananenkiste.
"Örks. 'Mozart auf der Reise nach Prag'" las Anka laut vor. "Das nimmt doch nicht mal einer umsonst mit."
"Sehr witzig, Banausenkind." Kaja nahm ihr das Buch aus der Hand und drehte es ein hin und her. "Das kommt in das Studentenregal. Zwei Euro, mach ein Schild dran!" Weil der Buchladen gleich unterhalb der Universität lag, hatte Kaja ein eigenes Uniregal eingerichtet. Vor allem am Semsteranfang, wenn die Germanistikstudenten mit ihrer seitenlangen Leseliste kamen, lohnte sich das. Mehr als drei Euro konnte sie allerdings selten pro Buch verlangen, die zehn Prozent Rabatt, die sie zusätzlich gab, taten dann schon fast weh.
"Mörike übrigens. Ein Klassiker." Kaja reichte das Buch wieder ihrer Schwester.
"Sag ich doch: örks."
"Mit der Einstellung wirst unseren Schatz doch nicht mal erkennen, wenn ein großer roter Pfeil draufgeklebt ist. Ab an die Hausaufgaben, die letzten paar schaffe ich auch alleine." Anka wuchtete mit einen Knurren ihre schwere Schultasche auf den Verkauftisch und schob den Stuhl ein paar Mal extralaut über das Parket.
Seit ihr beider Vater gestorben war, hatte Kaja die Erziehung ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester übernehmen müssen, denn ihre Mutter hatte ihren Kummer über den Tod des geliebten Partners in Alkohol ertränkt, und seitdem nicht mehr aufgehört zu trauern. Die ersten beiden Jahre waren hart gewesen, doch als Kaja mit 18 endlich den Buchladen übernehmen konnte, war vieles besser geworden. Zumindest für Kaja, denn sie war noch an ihrem Geburtstag zu Hause aus- und in das Hinterzimmer der Buchhandlung eingezogen. Zuerst fühlte sich Anka im Stich gelassen, doch letztendlich bedeutete dieser winzige Laden, der stets nach Papier und Leder roch, einen sicheren Hafen für sie beide.
Durch das Schaufenster sah Kaja Jonathan aus dem Küchenstudio schräg gegenüber mit einer Kuchenform in ihre Richtung wedeln. Um das schlecht laufende Geschäft ein wenig anzukurbeln, gab der Besitzer jeden Freitag Abend Koch- und Backkurse, die inzwischen fast immer ausgebucht waren. Und das Beste überhaupt: der alte Mann hob stets eine große Portion von allem für Kaja und Anka auf, meist die einzige warme Mahlzeit, die zumindest Kaja in der Woche bekam.
"Sieht nach Apfelkuchen aus."
Kaja hatte den Satz noch nicht einmal ausgesprochen, als Anka schon an der Tür war, sie aufriss, diesmal mit lautem Glöckchenklingeln und über die Straße spurtete. Taktisch keine gute Entscheidung, Anka zu schicken, dachte Kaja, denn jetzt würde sie mindestens eine halbe Stunde auf ihr Stück Kuchen warten müssen. Der alte Mann war ganz vernarrt in den dürren Teenager mit den pinkfarbenen Strähnen in den blonden Locken und ließ es sich nicht nehmen, Anka das jeweilige Rezept des Tages ganz genau zu erklären. Dabei machte er gewöhnlich weite, ausladende Bewegungen und strich sich alle paar Minuten über den Schmerbauch, wie um zu beweisen, wie lecker sein Essen war. Kaja holte sich aus dem Hinterzimmer einen frischen Becher Kaffee, setzte sich auf das Schaufensterbrett, in das sie einige Kissen gelegt hatte, und schaute dem Schauspiel mit einem Lächeln im Gesicht zu.